Helen und Scott Nearing

Helen Nearing, geb. Knothe, (geboren 23.2.1904) wuchs im bürgerlichen Milieu in Ridgewood, New Jersey, auf. In ihrer Jugend widmete sie sich fast ausschließlich ihren beiden hauptsächlichen Interessen, der Literatur und der Violine. Sie unternahm einige Reisen nach Europa, unter anderem um in Wien und Amsterdam ein Violinstudium zu absolvieren. In dieser Zeit lernte sie den indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti kennen, mit dem sie Anfang der 20er Jahre nach Indien und später nach Australien reiste. Eine Zeitlang lebte sie mit ihm in einer spirituellen Gemeinschaft.

Als sie Ende der Zwanziger Jahre wieder in die USA zurückkehrte, traf sie Scott Nearing, der 21 Jahre älter war als sie. Trotz ihrer sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten ergänzten sich Helen und Scott so gut, dass sie 1932 beschlossen, gemeinsam in die einsamen Berge von Vermont zu ziehen. In den nächsten zwei Jahrzehnten bauten sie dort das auf, was sie später ihr »gutes Leben« nannten – eine alternative, gesunde und umweltverträgliche Lebensweise mit nahezu ausschließlicher Selbstversorgung aus dem eigenen Garten. Mit ihren Büchern, die zum Teil Bestseller wurden, erreichten sie bald viele Menschen, die selbst auf der Suche nach Alternativen waren; viele von ihnen besuchten die Nearings in den folgenden Jahren, um von ihnen die Grundlagen des »guten Lebens« zu erfahren.

In den fünfziger Jahren sahen sich Helen und Scott gezwungen, ihre einstige Idylle noch einmal zu verlassen, als aus der zuvor fast unberührten Natur, die sie umgab, allmählich ein prosperierendes Skigebiet wurde. Sie packten ihre Sachen und fingen im Alter von 48 bzw. 69 Jahren noch einmal von vorne an: diesmal an der Küste von Maine. Dort lebten sie noch viele Jahre zusammen und blieben beide bis ins hohe Alter gesund und aktiv. Kurz vor seinem 100. Geburtstag fand Scott, dass es nun Zeit war, sich auf den Tod vorzubereiten, und entschied sich zu fasten. Sechs Wochen später verabschiedete er sich von Helen, die ihn auch bei diesem, seinem letzten Schritt begleitete.

Nach Scott Tod unternahm Helen noch einige Reisen nach Europa und schrieb noch zwei Bücher. Eines davon (Ein gutes Leben – ein würdiger Abschied) ist eine Biographie ihres gemeinsamen Lebens mit Scott. Am 17. September 1995 starb Helen im Alter von 91 Jahren bei einem Autounfall.

 

Bisher erschienene Titel von Helen Nearing im pala-verlag:

  • Kochbuch des guten Lebens (Titel vergriffen)
  • Ein gutes Leben – ein würdiger Abschied (Titel vergriffen)
  • Das Bilderbuch des guten Lebens (Titel vergriffen)

zusammen mit Scott Nearing:

 

Scott Nearing – einer der großen Aussteiger des 20. Jahrhunderts  

Scott Nearing kam am 6. August 1883 in einer kleinen Bergarbeiterstadt Pennsylvanias zur Welt. Sein Vater war im Holzhandel tätig und relativ wohlhabend, sein Großvater Direktor der Mine und ungekrönter König der kleinen Stadt – »Zar Nearing von Morris Run«. Der Lebensweg des kleinen Scott schien vorgezeichnet: Mitglied der oberen Klassen des aufstrebenden Amerikas, sei es nun beim Militär, als Jurist oder an anderer Stelle. Nach der High School wählte Scott aber das Studium der Soziologie und der Ökonomie – weniger aussichtsreich, aber immer noch die Eintrittskarte für eine Karriere als geachteter, gut bezahlter Hochschulprofessor.

Es kam alles anders. Im Laufe seiner Studien beschäftigte sich Scott Nearing mit der Verteilung von Kapital, Geld und Einkommen in den Vereinigten Staaten – und hier schlug sein Gewissen. Er fand heraus, dass nach normalen unternehmerischen Kalkulationskriterien ein Arbeiter mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft ständig »Verlust« machte und scheute sich nicht, dies öffentlich kund zu tun. Seinen Zorn erweckte besonders die Kinderarbeit in den Bergwerken – und er wurde so mit seinen Aktivitäten in Philadelphia, dem Herzen des Bergwerksstaates Pennsylvania, den wirtschaftlich und politisch Mächtigen zu unbequem.

Es kam, wie es kommen musste – Scott Nearing verlor auf spektakuläre Art und Weise seine Arbeit an der »Wharton School of Economics«, einer renommierten Wirtschaftsfakultät. Noch war es keine Schwierigkeit für ihn, eine andere Professur zu finden – war er doch als Wissenschaftler bekannt, dessen Lehrbücher Standardwerke für die Anfangssemester der Wirtschaftswissenschaften waren.

Doch dann kam der Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg – und seinen Widerstand dagegen konnte ihm auch das progressivere Establishment anderer Hochschulen nicht mehr verzeihen. Der Lehrstuhl wurde gekündigt, seine Bücher aus Schulen, Hochschulen und Bibliotheken verbannt und er selber später wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt, wenn auch von der Jury nach einem aufsehenerregenden Prozess freigesprochen.

1932, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, standen auch der 49jährige Scott Nearing und seine 20 Jahre jüngere Lebensgefährtin Helen vor der Frage, wie sie einerseits ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, dabei aber andererseits ihre Ideale nicht aufgeben mussten.

Die Antwort war eine heruntergekommene Farm in Vermont, die die beiden Nearings in mühevoller Arbeit wieder in Schuss brachten. Das Land wurde bebaut, neue Gebäude errichtet, das, was der Garten zum Lebensunterhalt nicht abwarf, vom Ertrag des selbst gemachten Ahornsirups erworben. Doch war die Farm nicht Selbstzweck. Sie diente dazu, den Nearings ihr gutes Leben physisch möglich zu machen.

Vier Stunden am Tag waren dem Broterwerb gewidmet, 4 Stunden den professionellen Aktivitäten (Helen musischen, Scott seinen wissenschaftlichen), der Rest sozialen Vorträge, Diskussionsrunden, Reisen – möglich gemacht durch einen genügsamen Lebenswandel, vegetarische Ernährung, die Farm in Vermont und – der »Suche nach dem guten Leben«. Scott Nearing starb am 24. August 1983, kurz nach seinem 100. Geburtstag.

 

Bisher erschienene Titel von Scott Nearing im pala-verlag:

  • Ein Leben gegen den Strom (Titel vergriffen)
  • Die Suche nach dem guten Leben (Titel vergriffen)
  • Ein anderer Weg

zusammen mit Helen Nearing:

 

Informationen über das Good Life Center der Nearings in Harborside finden Sie unter
http://www.goodlife.org/ (auf Englisch)